Nur das Licht d. Geistes verschafft wahren Glauben

Jakob Lorber, Von der Hölle bis zum Himmel. Die jenseitige Führung des Robert Blum, Bd. 1, 5. Aufl., Bietigheim 1995:

35. Kapitel – Doppeltes Erkenntnisvermögen des Menschen.
Nur das Licht des Geistes verschafft wahren Glauben. Übung und Sittenreinheit.

[RB.01_035,01] Rede Ich: "Mein Freund, solange der Mensch bloß aus seinem Verstande heraus Definitionen (Begriffsbe-stimmungen) macht, kann er vom Glauben und vom Gebete auch keine andere Meinung haben, als du sie Mir nun gar sehr unumwunden kundgegeben hast. Denn des Menschen Kopf-verstand hat keinen andern Weg, als den der materiellen An-schauung und sinnlichen Betastung. Und ein geistiger, lebens-voller Glaube kann in einem sinnlichen Gemüte ebensowenig Wurzeln fassen, wie ein Weizenkorn aus einem Granitfelsen, allda es wohl eine feste Unterlage hat; aber da der harte Fels keine Feuchtigkeit hat, die das Weizenkorn auflösete und den Keim frei machete, so bleibt das Korn auch auf dem harten Felsen wohl eine Zeitlang was es war; aber mit der Länge der Zeit stirbt es dann gänzlich, dieweil es keine Nahrung hat! Was nützet dir all dein Wissen und was deines Verstandes Gehorsam, den du ,Glauben' heißest, so dein Geist daran keinen Teil nimmt?!
[RB.01_035,02] "Siehe, ein jeder Mensch hat ein doppeltes Erkenntnisvermögen: ein äußeres, das da ist der Kopf- oder eigentliche äußere Seelenverstand. Mit diesem Erkenntnis-vermögen läßt sich nie das göttliche Wesen erfassen und begreifen, weil es der Seele gerade nur darum gegeben ward,
um den Geist in ihr von der Gottheit vorderhand zu trennen und ihn Diese gewisserart auf eine Zeitlang verlieren zu machen! Wenn nun ein Mensch oder vielmehr eine Seele mit diesem
alleinigen negativen Vermögen Gott suchen und finden will, da entfernt sie sich nur stets desto weiter vom Ziele, je hartnäckiger sie auf diesem Wege dasselbe verfolget!
[RB.01_035,03] "Aber die Seele hat noch ein anderes Vermögen, das da nicht in ihrem Kopf, sondern in ihrem Herzen Wohnung hat. Dieses Vermögen heißt inneres Gemüt und besteht aus
einem ganz eigenen Willen, aus der Liebe und aus einer diesen beiden Gemütselementen entsprechenden Vorstellungskraft. Hat diese einmal den Begriff vom Dasein Gottes in sich aufge-nommen, so wird dann dieser Begriff sogleich von der Liebe umfaßt und durch ihren Willen festgehalten, welches Festhalten dann erst ,glauben' heißt.
[RB.01_035,04] "Durch diesen Glauben, der lebendig ist, wird dann der wahre Geist erweckt, und der beschauet dann seinen Wecker; erkennt und ergreift ihn dann auch sogleich, richtet sich darnach auf wie ein mächtig Licht aus Gott und durchdringt dann die Seele und umwandelt in ihr alles ins Licht. Und dieses Licht ist dann der eigentliche Glaube, durch den jede Seele selig werden kann.
[RB.01_035,05] "Hast du je von diesem allein wahren Glauben etwas vernommen? Du sprichst in dir: »Nein, diese Art des Glaubens ist mir völlig fremd; denn ein Denken im Herzen kommt mir völlig unmöglich vor!« - Ja, ja, so ist es auch! Es muß dir diese Sache unmöglich vorkommen.
[RB.01_035,06] "Denn um im Herzen denken zu können, muß man eine eigene Übung haben; und diese Übung besteht in der stets erneuerten Erweckung der Liebe zu Gott. Durch diese Erweckung wird das Herz gestärkt und erweitert, wodurch dann des Geistes Bande lockerer werden, so daß sein Licht (denn jeder Geist ist ein Licht aus Gott) sich nach und nach stets mehr und mehr und freier und freier entwickeln kann. Fängt dann des Geistes Licht an, des Herzens eigentliche Lebenskammer zu erhellen, so werden auch die zahllosen Urtypen in rein geistigen Formen an den ebenfalls zahllosen Wänden des Lebens-kämmerleins stets deutlicher und deutlicher ausgeprägt und
der Seele beschaulich gemacht. Und siehe, diese Beschauung der Seele in ihrem Herzen ist dann ein neues Denken; die Seele gelangt da zu neuen Begriffen, zu großen und klaren Vor-stellungen; ihr Sehkreis erweitert sich mit jedem Pulsschlage; die Steine des Anstoßes verschwinden nach dem Maße, wie da verstummet der Kopfverstand. - Da ist dann kein Fragen nach Beweisen mehr. Denn das Licht des Geistes erleuchtet die inneren Formen also, daß sie nach keiner Seite hin einen
Schatten werfen; somit auch alles, was einem Zweifel nur wie im leisesten Hauche ähnlich wäre, für ewig verbannt wird.
[RB.01_035,07] "Und so ist denn auch ein Glaube, der also gestaltig im Herzen und nicht im Kopfe seinen Sitz hat, ein wahrer und lebendiger Glaube zu nennen; ,wahr', weil er dem untrüglichen Lichte des Geistes entstammt, und ,lebendig', weil im Menschen nur der Geist im wahrsten Sinne lebendig ist!
[RB.01_035,08] "In diesem Glauben aber liegt dann auch jene außerordentliche Kraft, von der in den Evangelien zweimal die Rede ist.
[RB.01_035,09] "Um aber zu diesem allein seligmachenden Glauben zu gelangen, muß man die vorerwähnte Übung wohl angehen und sich aufs ernsteste bestreben, darinnen sobald als möglich eine rechte Fertigkeit zu erlangen. Denn so der Mensch zu sehr und zu lange nur für die Ausbildung des Kopfverstandes und durch diesen rein nur für irdische Zwecke und Wohlfahrten gesorgt hat, da freilich muß es dann einem solchen Menschen völlig unmöglich vorkommen, auch im Herzen denken zu können, besonders so man einen ganzen Hegel, Strauß umd Ronge und dergleichen mehreres im Kopfe herumträgt.
[RB.01_035,10] "Ferner muß man sich auch der evangelischen Sittenreinheit zu erfreuen vollen Grund haben. Man muß kein Schwelger und hauptsächlich kein fleischlicher Unzüchtler sein. Denn die Unzucht und Hurerei tötet entweder beinahe ganz den Geist, oder, so sie schon den Geist auch nicht zu töten vermag, so verhindert sie doch für alle Zeiten die freie Entwicklung seines Lichtes, - woher es denn auch kommt, daß solche Unzüchtler, besonders in vorgerückteren Jahren, ganz stumpfsinnig werden und ihrem matten Leben nur dann noch ein heiteres Augen-blickchen abkneipen, so sie ein wenig geschwelgt und irgendeine Maid angegafft und betastet haben.
[RB.01_035,11] "War solches bei dir etwa gar nicht der Fall in der spätern Zeit? - da du doch das weibliche Geschlecht ohnehin als nur dem alleinigen Lustzwecke bestimmt zu sein ansahst. Fandest du nicht auch in solchen unlautersten Genüssen die eigentliche irdische Glückseligkeit? Und so du nun zu einer rein geistigen Seligkeit übergehen sollst, da gibt es in dir nun beinahe keinen Grund, auf dem man etwas bauen könnte. Denn siehe, rings um dich herum ist alles leer, so leer wie in deinem Herzen und ebenso wesenlos wie in deines Herzens Lebenskammern.
[RB.01_035,12] "Sage, woher werden wir nun Stoff nehmen, um in dir einen ganz neuen Menschen aufzubauen?! - Rede nun wieder und schaffe Rat!"

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